Gehören UI & UX überhaupt zusammen?

Würden wir diese Frage unseren Azubis und Praktikant*innen stellen, dürfte die Antwort wie aus der Pistole geschossen kommen. Um diese Frage beantworten zu können, sind wir gemeinsam vier Tage lang in die großartige Welt der User Experience abgetaucht.

So großartig wie dieses Themenfeld ist, so groß war auch die Herausforderung, in knapp 32 Stunden einen Perspektivenwechsel zu schaffen. Nachdem unsere Azubis ein Boot-Camp zu Grundlagen der Anwendungsentwicklung gemeistert hatten, konnten wir in einem Workshop unseren Blick nun auf die Menschen richten, die am Ende des Tages mit dem Output ihres Codes den Alltag bewältigen, die User. Wie wichtig die User sind, erkennen wir bereits in der Bezeichnung (UI/UX). Das „U“ steht allen voran und verdeutlicht uns, dass die User der Dreh- und Angelpunkt sind, und das nicht nur in der Software-Entwicklung.

Jede*r von uns wird täglich zu einem User, sobald wir im Supermarkt einkaufen, eine Pizza online bestellen, ein Programm installieren oder eine Achterbahnfahrt in einem Freizeitpark unternehmen, durchlaufen wir ein Erlebnis und machen dabei unsere Erfahrungen. Dabei zählt nicht nur die Achterbahnfahrt oder Shoppingtour selbst zu der User Experience.

 

Wann fängt UX an und wann hört es auf?

Bereits vor der Durchführung dieser Erlebnisse haben wir eine bestimmte Vorstellung und Erwartungshaltung von ihrem Ablauf, sammeln währenddessen Eindrücke und beurteilen im Nachhinein unsere gemachte Erfahrung emotional. Somit ist die User Experience weitreichender als oft angenommen wird, denn sie schließt die Gesamtheit aller Erfahrungen mit einem Produkt, Service oder System mit ein. Sie beginnt weit vorher in unseren Gedanken und geht über die Nutzung hinaus.

 

Und wo passt da jetzt UI ein?

Schon bei der Vorbereitung auf den Workshop fiel auf, dass der Zusammenhang zwischen UI und UX in den unterschiedlichsten Formen dargestellt wird. Oft heißt es „UI vs. UX“ und es wird versucht, die Unterschiede herauszustellen. Diese Gegenüberstellungen erwecken den Anschein, dass es zwei unabhängige Themen sind, die losgelöst voneinander betrachtet werden können. Damit tun wir uns etwas schwer.

Denken wir nochmal anhand der Pizzabestellung an die Gesamtheit der User Experience, die das Erlebnis vor, während und nach einer Nutzung miteinschließt. Dort haben wir genau einen Berührungspunkt mit dem User Interface (UI), welches in dem Fall die Website oder App des Lieferdienst ist – und zwar während der Nutzung. Die UI ist ein Element in der UX, ein bedeutender Bestandteil, dessen Grad an Benutzerfreundlichkeit am Ende immer auf die gesamte Wahrnehmung der User Experience mit einzahlt.

Vielleicht konnten wir die Pizza effizient und effektiv online bestellen, doch angekommen ist eine verspätete und kalte Pizza mit falschem Belag. Oder man musste sich durch eine komplizierte und verwirrende Website durchklicken, hat dabei 10 Mal geflucht, am Ende jedoch superschnell die leckerste Pizza der Stadt erhalten. In beiden Szenarien fällt die UI als Bestandteil der UX sehr unterschiedlich aus. Natürlich möchten alle User so schnell und einfach wie möglich die leckerste und flotteste Pizza der Stadt bestellen und erhalten.

 

Und wie kann man das erreichen?

Es existieren zahlreiche Methoden, Prinzipien und Prozesse die uns Designer*innen und Entwickler*innen dabei helfen benutzerfreundliche UI und Services zu entwickeln, die den Bedürfnissen der User gerecht werden, auch vor und nach der Nutzung. In unserem Workshop haben wir uns vor allem dem User-Centered-Design (UCD) Prozess gewidmet.

storyboard2

Am realen Beispiel der App „DecidED“, die nach dem UCD-Prozess entwickelt wurde, haben die Teilnehmenden die vier Phasen dieses Prozesses durchlaufen und einige UX-Methoden theoretisch kennengelernt und vor allem in der praktischen Anwendung verinnerlicht. Die App unterstützt amerikanische Studierende dabei ein bezahlbares College zu finden und Studienkreditschulden minimal zu halten bzw. zu verhindern (entwickelt von der Nonprofit-Organisation „Moneythink“).

 

Wie läuft der User-Centered-Design Prozess ab?

In der 1. Phase der „Kontext-Analyse“ wurde sehr schnell klar – wir müssen unsere User kennenlernen und deren Umfeld erst ordentlich unter die Lupe nehmen. Das treibende „U-Wort“ ist hier „User Research“. Mit Hilfe der 5-Why Methode sind wir dem Kernproblem der Studierenden auf den Grund gegangen. Mit den Erkenntnissen weiterer Recherchen wurde das Bild der Zielgruppe immer deutlicher und konnte mittels einer Persona festgehalten werden.

In der 2. Phase, der „Konzeption“ durfte die Kreativität der Teilnehmenden fließen. Ausgestattet mit Miro, Post-it´s, Stift und Papier wurden auf Basis der erstellten Personas Storyboards gezeichnet, erste Ideen für eine App gescribbelt und diese als Wireframe visualisiert. Hierbei haben wir den durchaus bestehenden Unterschied zwischen Scribble, Wireframe und Mock-Up genau beleuchtet. Na, ist dir der Unterschied zwischen den drei bekannt? Falls nicht oder du dir nicht ganz sicher bist, können wir uns gerne im nächsten UI/UX Workshop darüber austauschen.

Die dritte Phase hatte es in sich. Denn bei der Umsetzung bzw. Designphase sind wichtige Grundlagen zur ergonomischen Gestaltung von Oberflächen bedeutend, so bedeutend, dass sie genormt sind. Erst nachdem wir uns mit den menschenzentrierten Qualitätszielen (DIN EN ISO 9241-220), 7 Dialogprinzipien und den 10 Usability Heuristiken à la Jacob Nielsen auseinandergesetzt hatten, durften die Teilnehmenden für einen Tag zu UI-Designer*innen werden.

Das Einholen von gegenseitigem Feedback hat uns einen kleinen Einblick aber doch große Erkenntnisse darüber gegeben, wie wertvoll die 4. Phase ist: Die Evaluierung. Sicherlich reichen wenige Stunden nicht aus, um das gesamte Spektrum an Evaluierungs- und Testmethoden kennenzulernen. Auch reichen 32 Stunden nicht aus, um ein*e UX/UI-Designer*in zu werden.

Unser Ziel war es vielmehr, das Potential der Vorgehensweise im UI/UX Design wahrzunehmen. Gemeinsam konnten wir ein Bewusstsein für den Wert des User-Centered-Design Prozess schaffen und verstehen, weshalb der Prozess nie abgeschlossen ist. Menschen verändern sich und unser Umfeld entwickelt sich stetig weiter. Die vielen Möglichkeiten der User Experience unterstützen uns dabei, auf diese Weiterentwicklung bedürfnisgerecht einzugehen.

 

Fazit

Wir haben das Ziel des Workshops mit viel Praxisarbeit, Spaß, guter Musik und hervorragendem Austausch erreicht. Wir hoffen, dass unsere heranwachsenden „Brickis“ vieles in ihrem Alltag als Entwickler*innen mitnehmen und anwenden werden.

Wie ist nun die richtige Antwort auf die anfängliche Frage? Gehören UI / UX überhaupt zusammen?

Ganz klar – ja, sie sind unzertrennlich. Wie zu einem riesigen Eisberg die sichtbare Spitze gehört, so ist die UI der sichtbare Teil der UX. In der richtigen Anwendung bilden die Praktiken der UX das Fundament für hervorragende Usability.

 

 

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