Die agile Wunschmaschine

In den letzten Jahrzehnten haben sich Arbeitsstrukturen radikal verändert: War früher Arbeiten im Team eine Seltenheit, ist heute bereichs- und hierarchieübergreifende Team- oder Projektarbeit gängige Praxis. Du weißt genau, welchen nächsten Schritt es braucht, um deine Organisation im Wettbewerb nach vorne zu bringen? Auch wenn im beruflichen Kontext zumeist der Ansatz „Wir sind hier nicht bei ‚Wünsch-Dir-Was‘, sondern ‚So isses‘“ gilt, wäre es trotzdem interessant, das folgende Gedankenexperiment zu machen:

Wünsch Dir was

Vielleicht hast du ein kritisches Problem oder eine schwer zu erfüllende Anforderung vor dir und weißt noch nicht genau, wie du die Aufgabe meistern sollst. Wenn du nun den berühmten Wunsch frei hättest, wie sähe deine Lösungsidee aus? Was könntest du oder dein Team danach einfacher, besser oder schneller?!
Was hält dich auf? Vertraust du nicht darauf, dass deine Idee umsetzbar ist? Fehlt es dir an Budget, Mitstreitenden oder Zeit? Ist dein Wunsch oder dein Anliegen nicht dringend genug?

Stell dir doch mal vor, du hättest eine Wunschmaschine oder wärst König und könntest frei bestimmen…

Wenn Du König wärst

Stell dir vor du wärst ein König, so wie Gustav II. Adolf von Schweden, der Auftraggeber des Kriegsschiffes Vasa. Im Jahr 1726 ließ er die Galeone Vasa bauen, mit der Intention, alle bis dahin bekannten Schiffe in ihrer Stärke zu übertreffen. König Gustav vereinte alle seine Wünsche in der Konstruktion und baute das Schiff nach den damalig verfügbaren Kenntnissen des Schiffbaus, gestützt durch bekannte Vorlagen und auf Grund von vorhandenen Erfahrungen. Wie zu der Zeit üblich, sollten Probefahrten dazu dienen, es nach und nach zu verbessern. Die Vasa sollte ein großes, schnelles und prunkvolles Schiff werden. Auf Wunsch des Königs sollte es ein zweites Kanonendeck zur Erhöhung der Feuerkraft erhalten. Dies war für die Zeit eine technische Neuerung und wie sich später herausstelle, ein Risiko. Die Vasa stach 1728, mit einer feierlichen Zeremonie begleitet, in See. Die Konstruktion erwies sich jedoch als zu topplastig, sodass sich das Boot bei der Fahrt aus dem Hafen bei leichtem Wind zur Seite neigte. Nach nur kurzer Fahrzeit kenterte das Schiff und sank, da Wasser über die geöffneten Kanonenluken eindrang. Möglichkeiten es zu verbessern, gab es daraufhin offensichtlich keine mehr.

Wunschtücken

Auch Könige sind vor Wunschtücken nicht gefeit. Die Gründe für das Scheitern der Vasa lagen in einem Konstruktionsfehler. Aber auch im Managementalltag stellt man fest, dass Projekte aufgrund von Fehlern im Projektmanagement und -controlling, durch mangelnde Managementunterstützung oder durch unzureichende Unterstützung in Form von Organisationsstrukturen, scheitern. Scheitern gehört dazu und ist normal, auch wenn man seine Wünsche sehr genau präzisiert. Manchmal ist das aber nicht genau genug. Könnte hier eine Wunschmaschine weiterhelfen?

Im Vorfeld zu diesem Artikel habe ich Google bemüht, so wie ich es immer manche, wenn ich eine Idee habe. Bei der genauen Suche nach „Die agile Wunschmaschine“ findet sich aktuell noch kein Treffer für einen Blogbeitrag, allerdings stößt man auf ein sehr interessantes Fundstück aus dem Jahr 2014 in der Trefferliste. In dem Artikel „Du musst viel, viel genauer wünschen Papa, sagte das Sams“ geht es um Anforderungsmanagement und die Tücken beim Wünschen. Dabei wird in dem Artikel Bezug auf das bekannte Kinderbuch von Paul Maar genommen, in dem eine Wunschmaschine Wünsche wahr werden lässt. Die Wünsche müssen aber sehr genau formuliert sein. So führte der Wunsch nach „viel Geld im Zimmer“ zum Beispiel dazu, dass alle möglichen Währungen der Welt im ganzen Zimmer verstreut lagen.

Leider funktioniert das Wünschen also nicht so, wie von den Protagonisten erhofft. Dafür amüsieren die Ergebnisse die kleinen und großen Leser des Kinderbuchs umso mehr.

Die agile Wunschmaschine macht alles gut

Beim Lesen ist mir schnell aufgefallen, dass ich den Artikel bereits kannte. Ich hatte die Suche vor Jahren schon einmal angeworfen und bin genau bei diesem Artikel gelandet.

Wie kam es dazu? Ein kurzer Rückblick:

Damals hatte ich das Gefühl, dass mein Development Team vom Management als eine Art „Entwicklungs-Wunschmaschine“ wahrgenommen wurde. Ein Team, das alles möglich machen konnte. In meiner Fantasie saßen wir in einem von Neonlicht erhellten Raum mit einem Lautsprecher, der von der Wand hing. Die Entwickelnden saßen mit flinken Fingern vor Bildschirm und Tastatur, während von Zeit zu Zeit aus dem Lautsprecher erst ein Knacks-Geräusch und anschließend ein knapp formulierter Wunsch kam.

Meine Wahrnehmung war, dass man uns zutraute, alles gut machen zu können. Noch dazu, dass es keiner weiteren Kommunikation bedurfte. Ganz nach dem Motto: Nerds bzw. Expert*innen könnten das doch? Gepaart mit dem Wort agil, ergab sich eine Kombination von vielfältigen Missverständnissen und Fehlinterpretationen.

[Rückblickend habe ich keine allzu positive Erinnerung an diese Zeit, weil sie mit Scheitern und Kentern verbunden ist. Mit Agilität, so war mein persönlicher, fester Glaube, wollte ich die stürmische See bändigen. Grundsätzlich richtig. Der Untergang war schmerzhaft und verursachte dem Unternehmen und vielen Mitarbeitenden gravierende persönliche Probleme. Wir waren den Wellen – unklaren Wünschen – nicht gewachsen, was mir rückblickend sehr leid tut.]

Unerfüllte Wünsche

Was bedeutet das für uns zukünftig?

Ist es besser, Veränderungswünsche nicht anzugehen – es könnte ja etwas schiefgehen? Auch hier gibt ein Beispiel meiner Meinung nach die beste Antwort: Stell dir eine Innenstadt vor, in einer mittelgroßen Stadt. Diese unterliegt auch permanenten Veränderungen – sei es in der Infrastruktur, der Verkehrsführung, Bars, Restaurants oder Geschäfte. Das Stadtbild passt sich dem Bedarf der Bevölkerung an und ist für mich daher ein sehr gutes Abbild für notwendige Veränderung.

Alles unterliegt einem Wandel. Und wohl dem, der Altes und Bewährtes modern halten kann oder sich an die wandelnden Bedürfnisse anpasst – ansonsten wird Altes durch Neues ersetzt. Kontinuierliche Anpassungen an unsere Umgebung sind Teil unserer DNA.

Große Wünsche

Neben unerfüllten Wünschen gibt es aber auch große Wünsche. Große Wünsche sind im übertragenen Sinn die großen Projekte, die häufig damit drohen, nicht fertig zu werden. Sie werden schnell unübersichtlich und so können kleine Probleme den Erfolg der gesamten Lösung gefährden. Auch läuft man Gefahr, dass man sich in Details verliert, wenn noch ausreichend Budget verfügbar scheint.

Das Projekt dauert an und die Zeit vergeht. Ein Projekt, das nicht ins Laufen kommt, erzeugt zusätzlich zu den Investitionskosten Kosten durch Verzögerung, die „Cost of Delay“, weil das Produkt nicht einsetzbar ist, wie z.B. wenn ein Flughafen nicht fertig wird.

Das sind die Downsides. Wünsche und Anforderungen dürfen deshalb jedoch nicht untergehen und müssen ausgesprochen werden, damit sie registriert und bewertet werden können.

Wunschüberprüfung

Die funktionierende agile Wunschmaschine arbeitet bidirektional. Sie hört sich gerne die großen und kleinen Wünsche an und prüft sie. Wurde der Wunsch ausreichend verstanden oder gibt es Rückfragen? Gibt es bereits eine Lösung für das bekannte Problem? Dann sollte man darauf zurückgreifen. Ansonsten geht man besser in kleineren Schritten Richtung Wunschlösung und vermeidet den großen Wurf.
Und stopp, noch einen Schritt zurück. Ist der konkrete Wunsch überhaupt die Lösung für die Anforderung oder das Problem? Jeder Wunsch muss auf die Probe gestellt werden.
Als die Person, die ein Problem zu lösen wünscht, beschränkt sich der Lösungshorizont auf das, was diese gerade kennt. Um dieses Denken zu verlassen, braucht die Person eine Art Katalysator, z.B. in Form von internen oder externen Beratenden, die es dieser ermöglicht, das Problem aus einer anderen Perspektive, mit noch neuen unbekannten Möglichkeiten zu betrachten.

Lasse den Wunsch wahr werden!

Wünsch Dir was. Such Dir eine Partnerin oder einen Partner für dein Problemfeld. Gehe in kleinen, sinnvollen Schritten vorwärts. Lerne aus deinen Erfolgen wie Misserfolgen. Nutze das agile Vorgehen. Bleibe nicht stehen und entwickle die Idee weiter.

 

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